Samstag, 24. Januar 2009
 
Folterministerin darf man nicht sagen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Mittwoch, 7. Mai 2008

„Ministerin für Folter und Deportation“ darf man die im Dezember 2006 verstorbene Innenministerin Liese Prokop auch weiterhin nicht nennen. Ein dahingehendes Urteil wegen übler Nachrede des Landesgerichtes Wien gegen Michael Genner, Obmann des „Vereins Asyl in Not“, wurde Mittwoch vom Oberlandesgericht bestätigt.


Weder Genner, noch sein Anwalt Wolfgang Rainer zeigten sich vom Spruch des Richtersenats unter Ernest Maurer überrascht.

Unmutsäußerungen kamen aus den Reihen der Prozeßbeobachter, die den kleinen Verhandlungssaal im Wiener Justizpalast füllten. Die Privatanklage wegen übler Nachrede war von Gunnar Prokop, dem Witwer der Politikerin, eingebracht worden. Genner hatte kurz nach dem unerwarteten Tod der Innenministerin in seinen Aussendungen und auf der Homepage des Vereins „Asyl in Not“ die „gute Nachricht zum Jahresbeginn“ gefeiert. In seinem Nachruf bezeichnete er Prokop als „abgestumpfte Schreibtischtäterin“, die sich als „Werkzeug einer rassistisch verseuchten Beamtenschaft“ hergegeben habe. Er machte sie verantwortlich für psychische Folter, die durch das unter ihrer Ägide erarbeitete Asyl- und Fremdenrecht ermöglicht und toleriert werde. Seit Inkrafttreten des neuen § 76, Abs.4, Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz am 1. Jänner 2006 können auch traumatisierte Asylwerber in Schubhaft genommen werden, wenn der Verdacht besteht, ein anderer Staat könne für den Asylantrag zuständig sein. In der Praxis wurden Dutzende tschetschenische und andere Flüchtlinge, an deren Traumatisierung laut Psychologen kein Zweifel bestand, gleich nach ihrer Ankunft eingesperrt.

Michael Genner hat in zahllosen Fällen zugunsten dieser Flüchtlinge Verwaltungsbeschwerde erhoben und letzten Endes vom Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen. Die menschenrechtswidrige Praxis wurde abgestellt. Anwalt Rainer führte in seiner umfangreichen Verteidigungsschrift an, Prokop hätte Folter in Kauf genommen, um künftige Asylwerber abzuschrecken. So hatte sie es in der Zeit im Bild 2 abgelehnt, sich bei einem afrikanischen Abschiebekandidaten, der von Polizisten schwer misshandelt wurde, zu entschuldigen. Der Mann sei schließlich ein verurteilter Drogendealer gewesen. Richter Maurer bescheinigte Prokop, „nicht mit großem Geschick“ agiert zu haben. Allerdings sei der Armin Wolf, der ihr die Frage gestellt hatte, für seine regierungskritische Haltung bekannt.

Zu Lebzeiten hatte Prokop gegen den Ausdruck „Folterministerin“ nie geklagt. Genner, der zu 1200 Euro Strafe oder 60 Tagen Haft verurteilt wurde, will sich daher an den Europäischen Gerichtshof in Straßburg wenden. Der hat in ähnlichen Fragen schon mehrmals zugunsten der Pressefreiheit entschieden. Spontane Solidarität erfuhr Genner von Peter Rosenauer vom Verein „Resistance for Peace“, der nach einer Beileidsbekundung für den Tod von Prokop in einer Presseaussendung erklärte: „Fakt ist aber, dass ihr menschenrechtsverletzendes Reglement noch immer gilt. Daher bezeichne ich den jetzigen Innenminister Günther Platter als Minister für Folter und Deportation“.



< zurück   weiter >